Puro mágico - ein magischer Ort mit kunterbunten Bergen
Wie ich bereits vom Vorabend berichtete, vertrug Heiko das Essen nicht. Obwohl ich exakt dasselbe gegessen hatte, hatte ich in der Nacht keine Probleme. Heiko dagegen verbrachte die Nacht mehr auf dem Lokus als im Bett. Die Nacht war ohnehin sehr kurz, da wir um 4 Uhr aufstehen mussten und um 4:30 Uhr abgeholt wurden.
Eine lange Fahrt stand uns bevor und Heiko ging es nicht gut. Als der Kleinbus vorfuhr, mussten wir schweren Herzens absagen, denn Heiko traute sich die zweistündige Fahrt bis zum Frühstücksstopp nicht zu. Wir machten die Entscheidung davon abhängig, ob der Fahrer im Falle eines Falles irgendwo schnell anhalten konnte, doch Rasthöfe gibt es unterwegs keine. Somit war klar, dass wir nicht mitfahren. Heiko wollte, dass ich allein mitfahre, doch da hätten wir beide kein gutes Gefühl gehabt. Er nicht, weil das Ziel auf 5200 m hoch liegt und ich bereits Probleme mit der Höhe hatte und ich nicht, weil ich ihn nicht alleine lassen wollte.
So gingen wir zurück aufs Zimmer und ich legte mich enttäuscht aufs Bett. Mein Traum war geplatzt! Ich sinnierte so vor mich hin und hatte plötzlich die Idee. Ricardo!!!
Um 5 Uhr morgens schrieb ich an Livia eine Mitteilung, dass wir leider die Gruppentour absagen mussten und fragte, ob sie Ricardo zu einer Privattour überreden könnte. Gut, dass Livia früh aufsteht und um 5:30 Uhr bei mir durchklingelte. Sie weckte Ricardo und der erklärte sich bereit, seine zwei Fahrgäste vom Vortag zu chauffieren. Da er aber am anderen Ende von Cusco wohnt, schickte er uns einen Taxikollegen zum Hotel, der uns zu ihm nach Hause fuhr. Kurz nach 6 Uhr trafen wir bei Ricardo ein. Da es für die lange Strecke schon fast zu spät war, wollte Ricardo die kürzeste der drei möglichen Strecken austesten.
Nach 2 Stunden Fahrt erreichten wir das Touristen-Frühstückslokal. Wir machten dort aber nur einen kurzen Toiletten-Stopp und versprachen, nochmals nachmittags zum Essen vorbeizukommen.
Wir fuhren ein paar Kilometer weiter und dann bog Ricardo in einen Feldweg ab. Vorbei an zwei kleinen Ortschaften führte der Weg im weiteren Verlauf in unzähligen Serpentinen eine weitere Stunde nach oben.
Richtig idyllisch war es hier und auch die Baby-Alpakas
schauten uns interessiert hinterher. Ich konnte bei dem Gehoppel über die Dirtroad kaum Bilder machen.
Jedenfalls hatten wir nach einer Stunde Fahrt Zweifel, ob da überhaupt noch was kommt. Dazu taten mir die Reifen von Ricardos Toyota leid. Er besaß natürlich keinen Geländewagen, sondern so eine Art Corolla.
Doch irgendwann standen wir vor dem Häuschen und bezahlten umgerechnet 2,50 € pro Person Eintritt ins Naturreservat.
Wir fuhren weitere 20 Minuten die Schotterpiste hinauf
Und hielten dann an einer kleinen Wendeplatte, die gleichzeitig der Parkplatz ist.
Hier waren wir nun auf über 5000 m Höhe und freuten uns alle wie Bolle. In diese Gegend verirren sich nur wenige Touristen, da die Anfahrt beschwerlich und kaum Parkmöglichkeit vorhanden ist. Dafür ist der Aufstieg zu Fuß um die Hälfte kürzer.
Die Begeisterung kannte keine Grenzen und so war mir nicht bewusst, dass wir noch 200 Höhenmeter zusätzlich vor uns hatten.
Ricardo bremste uns etwas aus, denn es stand noch eine besondere Zeremonie an. Ricardo wollte der Pachamama mit einem Trankopfer huldigen und damit der Erdgöttin danken, dass wir ohne Probleme unser Ziel erreichten. Dafür musste jeder von uns drei schöne Coca-Blätter aus dem Beutel nehmen.
Ricardo kaute bereits auf Coca-Blättern herum, denn die Höhe schien dem jungen Mann zu schaffen zu machen. Dann grub er abseits des Weges ein Loch. Jeder von uns legte seine drei Coca-Blätter hinein.
Dann packte er eine Flasche Fanta und eine Flasche Bier aus seinem Rucksack. Abwechselnd goss dann jeder von uns ein Drittel der Flasche in das Erdloch.
Aller guten Dinge sind drei und so opferte ich noch eine Flasche Gatorade.
Ricardo bedeckte die Opfergaben mit Erde
und wir setzten unseren Weg langsam nach oben fort.
Die Luft war so weit oben schon sehr dünn und wir mussten einige Male stehen bleiben und warten, bis sich die Pumpe einigermaßen beruhigt hatte. Aber im Großen und Ganzen hatte keiner von uns Beschwerden in dieser enormen Höhe.
Ganz im Gegenteil – irgendwie hatten wir eher den Höhenrausch.
Hier oben wurde es immer schöner.
Einzig die Sonne fehlte zum vollkommenen Glück.
Und dann waren sie zu sehen, die regenbogenfarbenen Berge.
Dem Klimawandel und der damit verbunden Eisschmelze ist es zu verdanken, dass die Rainbow Mountains erst 2014 sichtbar wurden. Und nun werden auch sie von den Touristen überrannt.
Hier fanden wir die Magie, die wir in Machu Picchu vermissten. Doch wir hatten noch eine lange Rückfahrt vor uns und mussten aufbrechen.
Ricardo hatte richtig Spaß mit uns und hat es nicht bereut, dass ihn Livia wegen den zwei Locos Gringos so früh aus dem Bett geworfen hat.
Auf dem Rückweg fiel mir die Zeichnung am Berg gegenüber auf.
Die Spirale stellt ein grafisches Motiv dar, das sich in allen Kulturen Perus wiederfindet. Es repräsentiert Evolution, Veränderung und Transformation und nimmt zudem Bezug auf die Form eines Fingerabdrucks. Das kann doch nur der riesige Fingerabdruck der Pachamama auf dem Gestein sein. Ricardo war ganz gerührt, als ich ihn darauf aufmerksam machte.
Ricardo und sein Auto meisterten auch den langen Rückweg problemlos. In dem Ort im Tal angekommen, verzichteten wir aber auf das Büffet und setzten uns dafür in ein kleines, sehr familiäres Restaurant. Dort bestellten wir uns nur eine Hühnersuppe. Man servierte uns pro Teller ein halbes Huhn und kaum Brühe. Ich bat die Wirtin, dass sie uns das halbe Huhn auf zwei Teller verteilt und das machte sie dann auch.
Abends lieferte uns Ricardo im Hotel ab. Ein wunderschöner Tag war zu Ende, der uns drei gefallen hat. Wir verabschiedeten uns aufs Herzlichste von Ricardo, der uns mit seiner spontanen Bereitschaft dieses fantastische Erlebnis ermöglicht hatte.
Später beim Abendessen in einem Restaurant am Hauptplatz wurde uns bewusst, dass Heikos Unpässlichkeit unser Glück war. Ansonsten wären wir mit zehn weiteren Personen zu den Hauptbergen gefahren worden und hätten dort mit hunderten im Entenmarsch 1,5 Stunden nach oben wandern müssen. So waren wir fast allein inmitten der kunterbunten Berge. Einzig die Sonne hätte sich an dem Tag etwas mehr blicken lassen können. Das hätte zwar schönere Bilder ergeben, aber an der persönlich erlebten Magie nichts verändert. Das Beste kam zum Schluss und schon deswegen hat sich die anstrengende Reise für uns gelohnt.